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Trends & Zukunft

Betriebsgründung im Handwerk: Ausgerechnet jetzt?

Die Gründungsrate im Handwerk ist mehr als bloß ein Zahlenwert. Sie gibt Auskunft über Zukunftschancen am Standort Deutschland. Seit Coronaausbruch sind die Zahlen rückläufig. Gründen ist also enorm wichtig – auch und gerade jetzt.

Im Umgang mit Corona sind wir mittlerweile routinierter geworden. Impfen, Sicherheitsregeln, neue Medikamente machen es möglich. Einzelne Auswirkungen aber sind nach wie vor spürbar. Man könnte auch sagen: Manche Effekte verhalten sich träger als andere. Ein Beispiel dafür ist die Gründungsrate im Handwerk, die seit der ersten Pandemiewelle zurückgegangen ist und sich anders als andere Branchenwerte – Bilanzen, Umsatz- und Auslastungszahlen – nur langsam erholt. So zeigt eine Studie des Instituts für Handwerkswirtschaft an der Uni Göttingen, dass die Neueintragungen in der Handwerksrolle im Vergleich zu den Vorjahreszeiträumen deutlich gesunken sind: von März bis August 2020 betrug das Minus 14 Prozent.

Achillesferse Fachkräftemangel

Und wie sieht es bei den E-Handwerken aus? Die gute Nachricht: Sie sind nach wie vor eines der Gewerke mit den besten Wirtschaftszahlen überhaupt. Aber auch eines, bei dem schon wieder 6 von 10 Betrieben offene Stellen aufweisen. Neben Gesellen für grundlegende Tätigkeiten (35 %) werden laut ZVEH-Herbstumfrage vor allem hoch qualifizierte Fachkräfte (25 %) gesucht. Naheliegend also die Frage: Wenn die jetzt schon Mangelware sind, woher sollen dann die Kräfte für Neu- und Nachfolgegründungen kommen? Die Fachkräfterekrutierung, das Finden und langfristige Binden geeigneten Personals ist heute mehr denn je erfolgsentscheidend für einen Betrieb. Und für dessen Übergabe. Das zeigt sich im weiterhin anhaltenden Boom insbesondere der mit der starken Baukonjunktur verbundenen Betriebe deutlicher als in früheren Jahren. Wer gründen will, sollte diese Frage daher ganz oben auf die eigene Todo-Liste setzen und nach zeitgemäßen Antworten – gerade für die neuen anspruchsvolleren Generationen – suchen.

Alternativ zu einer Neugründung bietet sich die Übernahme einer bestehenden Firma an. Im Handwerk erfolgt die Betriebsübergabe oft an langjährige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen oder ganz traditionell innerhalb der Familie. (Foto: Bojan/stock.adobe.com)

Es zählt das eigene Profil

Bietet es sich also ausgerechnet jetzt an, mit einem eigenen Betrieb zu starten? Durchaus. Nicht zuletzt weil, wer mit guter Nachfrage und Auslastung startet, es naturgemäß leichter hat, im Markt zu bestehen. Auf der anderen Seite müssen Gründerinnen und Gründer mögliche gesamtwirtschaftliche Veränderungen im Blick haben – zu jeder Zeit. Denn sie können schnell auch das eigene Unternehmen betreffen. Wer sich ehrlich macht, ahnt z. B. längst, dass die Nullzinspolitik der EZB nicht ewig anhalten und daher auch das konjunkturelle Hochplateau in den Baugewerken einer Normalisierung der Verhältnisse weichen wird. Frühzeitig ein eigenes Profil mit entsprechenden Spezialgebieten (z. B. Erneuerbare Energien, Smart Buildings, ITK) oder auch Kundengruppen (Bürgerenergiegesellschaften, Senioren, Netzbetreiber etc.) zu entwickeln, ist für aktuell Gründungswillige deshalb von größter Bedeutung.

Zukünftige Geschäftslage

ZVEH-Konjunkturumfrage Herbst 2021: 18.161 befragte Betriebe/1.194 Antworten (Rücklaufquote 6,57 %). Ein positives Geschäftsklima im E-Handwerk attestiert auch die diesjährige Herbstumfrage des ZVEH. Das Gründungsklima hat allerdings noch Aufholbedarf.

Tipp

 

Hier finden Sie Informationen zu Fördermittel für Existenzgründer und Selbstständige.

 

Was steckt hinter den Zahlen?

Die Göttinger Handwerksstudie nimmt die Zahlen aus der Handwerksrolle als Grundlage und fragt nach den Ursachen für die Rückgänge. Ihr Fazit: „Bei den Eintragungen zeigt sich eine Überlagerung der Effekte von Novellierung der Handwerksordnung und Corona-Folgen“ (Lockdown, Hilfsmaßnahmen). Ihr mit Blick auf die ständige mediale Präsenz des Themas Corona bemerkenswertes Ergebnis: „Die Rückgänge der Eintragungen können zu einem erheblichen Teil als Reaktion auf die Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Handwerken gesehen werden.“ So gingen die Eintragungszahlen in den „rückvermeisterten“ Handwerken gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 70 Prozent zurück. Demgegenüber weisen die A-Handwerke, die seit 2004 unverändert zulassungspflichtig sind, mit minus 7 Prozent eine vergleichsweise geringe Reaktionsstärke auf. Interessant auch, wenn man nach konjunkturbedingten Unterschieden schaut: „Der stärkste Rückgang (März–August 2020 gegenüber Vorjahresperiode) ist in den Ausbauhandwerken (−33 %) zu verzeichnen.“ Beim Baugewerbe (±0 %) sowie den Handwerken für den privaten (−3 %) und gewerblichen Bedarf (+1 %) sind (hingegen) kaum Unterschiede feststellbar.

Dieser Beitrag ist ursprünglich im Sonepar-Report in der Ausgabe Dezember 2021/Januar 2022 auf den Seiten 18/19 erschienen.

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