Trends & Zukunft

Generationsdiversität: Chancen nutzen – Konflikten vorbeugen

In unserem Interview weist Wirtschaftspsychologin und Change Managerin Sonka Beck auf die Herausforderungen vom Generationenwechsel hin, gibt Einblicke in effektive Maßnahmen zur Konfliktprävention und zeigt auf, wie Unternehmen durch gezielte Selbstreflexion eine produktive und zukunftsorientierte Arbeitsumgebung schaffen können.

Sonepar: Generationswechsel begleiten die Gesellschaft fortlaufend – warum ist das Thema Generationenwechsel heute so präsent?

Sonka Beck: Der Generationenwechsel ist heute besonders präsent, weil wir einen signifikanten demografischen Wandel erleben. Die Babyboomer, geboren zwischen 1946 und 1964, gehen in den Ruhestand, jüngere Generationen prägen zunehmend die Arbeitswelt. Hinzu kommt die rasante technologische Entwicklung, die neue Fähigkeiten und Perspektiven erfordert. Digitalisierung und neue Arbeitsmodelle haben die Erwartungen und Werte der Arbeitnehmer verändert. Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance sind heute viel wichtiger als früher. Diese Veränderungen fordern Unternehmen heraus, insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel und die Notwendigkeit, Talente zu rekrutieren und zu halten.

Sonepar: Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie in der sogenannten „Generationsdiversität“?

Sonka Beck: Generationsdiversität birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Konflikte können entstehen, weil unterschiedliche Generationen verschiedene Arbeitsweisen, Werte und Kommunikationsstile haben. Doch diese Vielfalt bietet auch immense Chancen für Innovation und Weiterentwicklung. Um diese Chancen zu nutzen, ist es wichtig, die Bedürfnisse und Fähigkeiten jeder Generation zu verstehen und wertzuschätzen. Dies fördert eine positive Arbeitsumgebung, in der alle Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können.

Sonepar: Im Elektrohandwerk treffen derzeit vier Generationen aufeinander. Könnten Sie kurz die Charakteristika dieser Generationen erläutern?

Sonka Beck: Es liegt in unserer menschlichen Natur, Dinge zu definieren, um sie danach besser zu verstehen und einordnen zu können. Im Falle der 4 Generationen, auf die wir aktuell in der Arbeitswelt stoßen, ist dies ähnlich. Grundsätzlich hat sich jedoch an den Prinzipien hinsichtlich guter Leitung und einem kooperativen Miteinander wenig geändert. Zugewandte Führung, Kommunikation und ein Wir-Gefühl, sind weiterhin Grundbedürfnisse der Mitarbeitenden. Geändert haben sich eher die umgebenden Faktoren, wie gesellschaftlicher Zusammenhalt, wirtschaftliche Faktoren und die daraus resultierende Sozialisierung und vor allem die Einstellung zu Arbeit.

Die Babyboomer (1946-1964) bringen viel Erfahrung und traditionelles Wissen mit. Sie sind loyal und haben eine starke Arbeitsmoral. Sie bevorzugen bewährte Methoden und haben oft eine „Work-first“-Mentalität. Mit anderen Worten: nicht reden, machen. In der Babyboomer Generation liegt daher auch die Wiege des Begriffs „Workaholic“.

Die Generation X (1965-1980) ist für ihre Anpassungsfähigkeit und technische Kompetenz bekannt. Sie verbindet traditionelle Methoden mit neuen Technologien. Die Gen Xer gelten als die erste Generation, die in großem Umfang mit Computern aufwuchs, was sie zu Vorreitern in der digitalen Welt machte und den Grundstein für die späteren Digital Natives legte. Die GenXer legen einen höheren Wert darauf Arbeits- und Privatleben in Einklang zu bringen. Mit anderen Worten, die zarten Anfänge der „Work-Life-Balance“.

Millennials oder Generation Y (1981-1996) sind mit digitalen Technologien aufgewachsen. Sie legen Wert auf Flexibilität und auf eine gute Work-Life-Balance. Zusammenarbeit und offene Kommunikation sind ihnen wichtig. Die Generation Y zeichnet sich des Weiteren dadurch aus, dass der Sinn der Arbeit hinterfragt wird.

Die Generation Z (ab 1997) ist die erste Generation von Digital Natives. Sie haben hohe Erwartungen an Technologieeinsatz, Umweltbewusstsein und soziale Verantwortung. Sie bevorzugen projektorientiertes Arbeiten und suchen nach schnellem Feedback und klaren Entwicklungsmöglichkeiten. Die Generation Z will nicht nur „machen“, sondern will auch darüber „sprechen“ wie es gemacht werden sollte. Agiles zusammenarbeiten lässt grüßen.

Sie sind sich dem aktuellen Angebots- und Nachfragegefälle zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bewusst, sind mündig und stimmen mit den Füßen ab, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Kurz gesagt, sie gehen in einem für sie vorteilhaften Arbeitnehmermarkt.

Generationenwechsel Generation Z

Sonepar: Wie können Synergien zwischen diesen Generationen im Elektrohandwerk genutzt werden?

Sonka Beck: Der Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Generationen ist essenziell. Ältere Mitarbeiter bewahren wertvolle Erfahrung und Traditionen, während jüngere Mitarbeiter innovative Ideen und Technologien einbringen. Diese Vielfalt der Perspektiven in generationenübergreifenden Teams fördert Kreativität und Problemlösungsfähigkeit. Die Zusammenarbeit steigert zudem die Motivation, da die Generationen voneinander lernen und sich gegenseitig inspirieren.

Sonepar: Konflikte zwischen den Generationen können nicht immer vermieden werden. Welche Schritte oder Maßnahmen empfehlen Sie, um Konflikte vorzubeugen oder sie durch Selbstreflektion schnell zu beenden?

Sonka Beck: Konflikte zwischen Generationen sind unvermeidlich, aber sie können durch proaktive Maßnahmen und Selbstreflexion gemildert oder gelöst werden. Hier sind neun Schritte, die Mitarbeitende und Unternehmen ergreifen können:

1. Bewusstsein und Verständnis für Unterschiede schaffen: Die Vergangenheit wertschätzen und die Zukunft erlauben. In den letzten Jahrzehnten wurde viel richtig gemacht. Wir wären heute sonst nicht dort, wo wir sind. In dem 4 Generationen umspannenden Zeitraum zwang der Wandel ebenfalls alle Beteiligten zum Um- und Neudenken. Daran hat sich nichts geändert. Welche spezifischen Unterschiede erkennen Sie bei Ihren Kollegen und wie beeinflussen diese Ihre Zusammenarbeit?

2. Empathie entwickeln: Versuchen Sie, sich in die Lage der anderen Generation zu versetzen und deren Perspektiven nachzuvollziehen. Mit anderen Worten: das Akzeptieren des anders sein des anderen. Ein Jobwechsel, oder gar ein Berufseinstieg ist ein Wechsel in ein komplett neues soziales System. Er ist emotional hoch aufgeladen. Wie würden Sie sich in der Situation Ihres Kollegen fühlen und welche Herausforderungen könnte er erleben? Hier kommen mir Mentoring Programme in den Sinn, von denen alle profitieren. Die „Neuen“ von den Herausforderungen der Vergangenheit und wie diese überkommen wurden und die „Alten“ von möglichen Herangehensweisen an neue Problemstellungen, an die noch gar nicht gedacht wurde. Könnten Sie selbst als Mentor oder Mentee fungieren und wie würden Sie und andere von dieser Rolle profitieren?

3. Offene und respektvolle Kommunikation: Schaffen Sie eine Kultur, in der alle Meinungen gehört und geschätzt werden. Nur wenn Ihre Mitarbeiter informiert sind, können Sie auf den Ideenschatz, der im Kollegium schlummert, auch zugreifen. Kommunizieren Sie offen und respektvoll und ermutigen Sie andere, das Gleiche zu tun?

4. Gemeinsame Ziele definieren: Arbeiten Sie gemeinsam an klaren und gemeinsamen Zielen, die für alle Generationen von Bedeutung sind. Nur wenn Ziele allgemein bekannt, verstanden und sinnhaft erscheinen, werden diese akzeptiert. Binden Sie die verschiedenen Generationen in der Zielfindung ein. Dann ist es nicht ein Ziel, sondern das Ziel aller.

5. Feedback-Kultur etablieren: Fördern Sie eine Kultur, in der konstruktives Feedback regelmäßig gegeben und empfangen wird. Loben Sie im Öffentlichen und kritisieren Sie im Privaten. Ihre Mitarbeiter werden es Ihnen mit Vertrauen und Engagement danken. Wie oft geben Sie und erhalten Sie konstruktives Feedback und wie reagieren Sie darauf?

6. Konflikte frühzeitig ansprechen: Gehen Sie Konflikte an, sobald sie auftreten, anstatt sie zu ignorieren oder zu verschieben. Unbearbeitete Konflikte münden unweigerlich in „Kampf oder Flucht“ Szenarien. Kampf im Sinne von dranbleiben und den Konflikt lösen. Flucht im Sinne von Krankschreibung oder gar Kündigung. Reagieren Sie schnell auf Konflikte oder neigen Sie dazu, sie zu vermeiden?

7. Fortbildung und Lernen fördern: Unterstützen Sie kontinuierliches Lernen und die berufliche Entwicklung aller Mitarbeiter. Unterschätzen Sie nicht das Grundbedürfnis aller Mitarbeiter, Teil eines Größeren zu sein und die Chance zu bekommen sich weiterzuentwickeln. Welche Fortbildungsmöglichkeiten könnten Sie nutzen, um Ihre Fähigkeiten zu erweitern?

8. Anerkennung und Wertschätzung zeigen: Anerkennen Sie die Beiträge und Erfolge jedes Mitarbeiters unabhängig von dessen Alter. Wie oft zeigen Sie Anerkennung für die Arbeit Ihrer Kollegen und wie könnten Sie dies häufiger tun?

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Sonepar: Das sind sehr wertvolle Tipps. Was denken Sie, wie sollten Unternehmen die Balance zwischen den traditionellen und modernen Ansätzen finden?

Generationenwechsel, Generationsdiversitaet

Sonka Beck: Der Schlüssel liegt in der Balance und dem gegenseitigen Respekt. Unternehmen sollten die Stärken jeder Generation erkennen und nutzen. Traditionelle Ansätze sind oft bewährt und zuverlässig, während moderne Methoden Flexibilität und Innovation fördern. Durch die Kombination beider Ansätze können Unternehmen eine Arbeitsumgebung schaffen, die sowohl stabil als auch zukunftsorientiert ist. Es ist wichtig, offen für Veränderungen zu sein und gleichzeitig die wertvollen Erfahrungen und das Wissen der älteren Generationen zu schätzen.

Sonepar: Abschließend, wie sehen Sie die Zukunft des Elektrohandwerks im Hinblick auf den Generationenwechsel?

Sonka Beck: Ich sehe die Zukunft des Elektrohandwerks sehr positiv. Der Generationenwechsel bietet (wieder) eine einzigartige Gelegenheit zur Weiterentwicklung und Innovation.

Die Kunst liegt hauptsächlich darin, die Synergien zwischen den Generationen zu erkennen und zu nutzen, anstatt die Unterschiede als Hindernis zu betrachten. Nur so kann das Elektrohandwerk von einer lebendigen und dynamischen Arbeitskultur profitieren, die Innovation und Wachstum fördert.

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