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Trends & Zukunft

E-Recruiting: Erst digital, dann virtual

Auch das hat Corona verändert: Viele Unternehmen laden nicht mehr zu Jobinterviews vor Ort ein. Sie nutzen stattdessen – davor oder ergänzend – E-Recruiting als neues digitales Format. Wir stellen Möglichkeiten heutiger und zukünftiger Bewerbungsverfahren vor und nennen Pro und Contra.

Das E-Recruiting nimmt an Fahrt auf: Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitcom führten 2021 knapp drei Viertel von 853 befragten Geschäftsführern und Personalverantwortlichen unterschiedlicher Branchen Bewerbungsgespräche per Videokonferenz. Das sind beinahe doppelt so viele wie vor Ausbruch der Pandemie. Auch digitale Assessment Center, Online-Tests, digitalisierte Probearbeiten oder gar Vertragsunterzeichnungen sind heute keine Seltenheit mehr.

Dafür spricht viel: Schließlich lassen sich außer Zeit und Geld per digitaler (Vor-)Auswahl auch klimafreundlich Ressourcen sparen. Und der nächste Trend ist bereits auf dem Weg: Immer mehr Branchen und Betriebe experimentieren derzeit mit Virtual Reality und KI im Rahmen ihres E-Recruiting. Was bietet sich an, was kommt bald und was ist dabei kritisch zu sehen? Hier ein kleiner Überblick.

Was ist eigentlich „Digital Recruiting“ bzw. „E-Recruiting“?

Digital Recruiting wird auch E-Recruiting genannt. Die Begriffe sind also synonym zu verwenden. Es entstand mit den ersten Internet-Jobbörsen Ende der 1990er. Heute kann der gesamte Rekrutierungsprozess elektronisch, internetbasiert und auch mobil per Smartphone ablaufen. Das fängt bei der Stellenausschreibung an und geht über die Einladung bis zum Vorstellungsgespräch oder Assessment Center. Beliebte Methoden des E-Recruiting sind dabei das „Social Recuriting“ (die Suche in sozialen Netzwerken) wie auch das „Active Sourcing“. Letzteres steht für die proaktive Suche des Unternehmens, beispielsweise über unternehmenseigene Karriere-Events, Personalmessen oder Karrierenetzwerke.

Welche Methoden des E-Recruiting eignen sich für wen?

Beispiel 1: CV-Parsing

So nennt sich die Software gestützte Verarbeitung von Bewerbungen. „CV“ steht für Curriculum Vitae (Lebenslauf), „Parsing“ (zergliedern) für die maschinelle Analyse von etwas. Die Lebenslauf-Daten werden dabei mittels Syntaxanalyse extrahiert und nach zuvor definierten Bestandteilen auf die gewünschten Profil-Merkmale untersucht. Bekannte Programme des CV-Parsing sind z. B. CVLizer, DaXtra, Textkernel.

CV-Parsing eignet sich als Baustein des E-Recruiting grundsätzlich für Betriebe und Unternehmen ganz unterschiedlicher Größe, Finanzstärke und Branchen. Der Vorteil besteht in der schnellen und hoch standardisierten Vorauswahl, die man damit trifft. Der Nachteil: Ob diese tatsächlich vorurteilsfreier ist als ein Mensch, hängt davon ab, welche Merkmale zuvor ausgewählt wurden. Zudem muss mit einer gewissen technischen Fehleranfälligkeit gerechnet werden. So werden in Grafikprogrammen erstellte Texte oder Sonderzeichen oft nicht erkannt und gesuchte Bewerber-Merkmale als „nicht vorhanden“ bewertet, was den Ausschluss bedeuten kann.

Fazit: CV-Parsing als ein Teil des E-Recruiting spart Zeit und kann helfen, menschliche Vorurteile bei der Vorauswahl zu vermeiden (wenn man das Programm denn richtig „füttert“).  Die heutige KI ist im Gegensatz zu erfahrenen Personalverantwortlichen allerdings nicht in der Lage, Talente zu erkennen, die zwar abseits des definierten Suchprofils liegen, aber für das Unternehmen ein Riesengewinn sein könnten.

Beispiel 2: Assessment Center

Darunter versteht man unterschiedliche Methoden zur Einschätzung von Bewerbenden. Dabei greift man vermehrt auf Arbeitssimulationen und deren Bewertung durch geschulte Beobachter zurück. Solche Simulationen können Rollenspiele zum Kundengespräch, berufsspezifische Problemlösungsaufgaben oder etwa Gruppendiskussionen sein. Doch nicht nur das: Auch Leistungstests oder Persönlichkeitstests sind mancherorts üblich. Letztere sind in der wissenschaftlichen Psychologie durchaus umstritten.

Vor Corona waren Assessment Center ein- oder auch mehrtägige Vor Ort-Veranstaltungen. Viele Betriebe führten diese aufgrund ihres Zeit- und Kostenaufwands in der Regel mithilfe größerer Unternehmen durch. Heute stehen sämtliche Module beim Online-Assessment digital zur Verfügung. Die Bewerberinnen und Bewerber können bequem von zu Hause aus teilnehmen. Dafür erhalten sie Zugang zu einer Benutzeroberfläche, die einer Online-Meeting-Plattform wie Zoom oder Skype ähnelt. Kritiker argumentieren, dass dabei nicht kontrolliert werden kann, ob der Kandidat den Test alleine bestreitet. Möglich ist auch, dass eine andere bzw. mehrere Personen den Test gemeinsam absolvieren. Und auch, dass die Person im Internet kursierende Lösungslisten verwendet. Letzteres kann durch Zufallsauswahl möglichst vieler Testvarianten eingegrenzt werden. Ersteres wäre allerdings nur dann auszuschließen, wenn eine permanente Kameraüberwachung eingesetzt würde (Datenschutz! Persönlichkeitsrechte!).

Fazit: Assessment Center sind als Tool im E-Recruiting grundsätzlich etwas für finanzstarke Unternehmen mit vielen gleichartigen Stellen bzw. stark standardisierten Anforderungen an das Personal. Ein mittelständischer Betrieb wird sich da eher auf Betriebspraktika, Probearbeiten und -zeiten verlassen. Online ist das Verfahren zwar deutlich kostengünstiger und damit auch für KMU erschwinglich – aber manipulationsanfällig.

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Was kommt als Nächstes?

Bereits Ende letzten Jahres sorgten einige Unternehmen mit ihren Ankündigungen zum „virtuellen Recruiting“ als eine recht neue Form des E-Recruiting für Aufmerksamkeit in den Personalabteilungen. Vor allem geht es dabei um den Einsatz von VR-Brillen. Sie sollen dabei helfen, grundlegende Nachteile des E-Recruiting zu überwinden. Dazu gehört, dass der persönliche Kontakt reduziert ist auf Zweidimensionalität. Auch das übliche Aufwärmen (Kaffeeangebot, Smalltalk usw.) fällt ebenso „flach“ aus. Genau wie der Gang durchs Unternehmen – für chancenreiche Kandidatinnen und Kandidaten.

E-Recruiting wird auch technisch weiter gedacht: Der VR-Brillenspezialist Oculus perfektioniert dafür derzeit eine Brille, die Mimik in Echtzeit registriert, aufzeichnet und ins Cyberspace sendet. Und Apple will noch in diesem Jahr, spätestens aber 2023, eine Kombination aus Augmented- und Virtual-Reality-Brille am Markt haben. Diese Apple-Brille soll neben Kameras für die Außenwelt angeblich auch „innovative Biometrie“ enthalten. Bleibt die Frage, ob die angekündigte Iris-Erkennung dann nur zum Entsperren von Benutzerkonten geeignet ist? Oder auch, um Bewerbermerkmale aufzuzeichnen? Das dürfte zumindest die Datenschutzbeauftragten künftig intensiv beschäftigen. Die Sache mit dem Kaffee bleibt vorläufig ungelöst.

Link-Tipp: Das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Uni Bamberg und der Uni Erlangen-Nürnberg führen regelmäßig Studien zu Recruiting (und auch E-Recruiting im Speziellen) zudem Trends und Bewerbungspraxis durch. Die Ergebnisse finden Sie zum kostenfreien Abruf hier.

Dieser Beitrag ist ursprünglich im Sonepar-Report der Ausgabe September auf den Seiten 26/27 erschienen.

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