Foto: Shutterstock / deepblue4you
Trends & Zukunft

Energy Sharing: Strom teilen und verbrauchen

Gemeinschaftlich Strom im Verteilnetz erzeugen und nutzen – das ist Energy Sharing. Wenn das EU-Konzept konsequent umgesetzt wird, können 90 Prozent der Haushalte in Deutschland von günstigeren Strompreisen profitieren.

Zu diesem Ergebnis kommt das gemeinnützige Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in einer aktuellen Potenzial-Studie. Dabei berufen sich die Wissenschaftler auf die Pläne der Bundesregierung, bis 2030 einen Anteil von 80 Prozent Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch zu erlangen. Dieses ehrgeizige Vorhaben könne aber nur erreicht werden, wenn Bürger und Anrainerinnen eingebunden werden. Anders gesagt: Will man das vielerorts noch immer herrschende Sankt-Florians-Prinzip überwinden (Solar- und Windparkanlagen ja bitte – aber nicht vor meiner Haustür), dann müssen die Menschen von Ausbau und Einrichtungen in ihrer Region spürbar profitieren.



Wie steht die EU zu Energy Sharing?


Die EU hatte Energy Sharing bereits 2018 in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Art. 22) mit einer Umsetzungsfrist bis Mitte 2021 verankert. Dafür, so die Forscher, müsse nun ein regulatorischer Rahmen geschaffen werden. Dieser sollte den Zusammenschluss von Bürgerinnen und Bürgern in EEG Gemeinschaften ermöglicht: „Damit diese Wind- und Photovoltaikanlagen errichten und den erzeugten Strom gemeinsam über das Verteilnetz nutzen können.“ (Institut für ökologische Wirtschaftsforschung GmbH, gemeinnützig, Richard Harnisch. Pressemitteilung vom 3.5.2022) Und sie sollten einen finanziellen Vorteil erhalten, wenn sie selbst erzeugten Strom aus ihrer Anlage zeitgleich und regional verbrauchen.



Welche Hindernisse gibt es?


Der Umsetzung der EU-Richtlinie in deutsches Recht stehen nicht nur bürokratische Barrieren im Weg, sondern auch unterschiedliche Interessen gegenüber. Bürgerenergie-Fürsprecher kritisieren seit Jahren die hohen Ausschreibungshürden, die kleine Gemeinschaften über Gebühr belasten oder faktisch ausschließen. Sie fordern ein erneuertes Energiewirtschaftsgesetz, das „Energy Sharing für alle“ ermöglicht. Und sie verlangen die Abschaffung des Ausschreibungssystems für jede Art von Erneuerbaren Energien – inklusive Biogasanlagen, weil diese im Winter und in „Dunkelflauten“ einen wesentlichen Kern der Strom- und Wärmeerzeugung sichern könnten. Einige große Player am Markt kontern solche Appelle mit der Forderung an den deutschen Gesetzgeber, dass es keine Privilegierung derartiger Gemeinschaften geben dürfe.



Geht doch: Beispiel Großbardorf!


Während man in Berlin noch diskutiert, wer welche Zugriffsrechte auf den wachsenden EE-Kuchen bekommen soll, ist das Rhön-Örtchen Großbardorf schon viel weiter. In der 1000-Seelen-Gemeinde, die bereits 1921 (!) eine Windenergieanlage nach Bürgerenergiekonzept betrieb (man nannte das damals nur nicht so), ist man in Sachen Energie nahezu autark. Das bedeutet: von fossilen Energien genauso unabhängig wie von damit verbundenen Preissprüngen oder weltpolitischen Drohgebärden. Strom und Wärme werden hier seit 2005 vor Ort produziert.

Damals starteten die Großbardorfer mit einer ersten Bürgersolaranlage, die schon 2007 erweitert wurde, so groß war die Begeisterung. Der örtliche Fußballverein bekam obendrein eine neue Tribüne gestellt, die im Gegenzug ebenfalls PV-Module trägt. Strom und Abwärme für das Nahwärmenetz kommen aus der Biogasanlage, und die „Bürgerenergie Windkraft Großbardorf“ betreibt vier Windanlagen zur Einspeisung ins öffentliche Stromnetz. „Energiedorf“ nennen Presse und Fernsehen den Vorzeigeort. Das bringt nicht nur gutes Image, sondern auch Menschen, die jetzt dort hinziehen wollen. Rechnung aufgegangen!

Startseite der Homepage Gemeinde Großbardorf
Quelle: Website Großbardorf, 2022

Wer auf die Website der kleinen
unterfränkischen Gemeinde Großbardorf klickt, findet dort mehr innovative Energieprojekte als in mancher Großstadt.


Video-Tipps: Strom teilen und verbrauchen



EE-Richtlinie der EU


Beispiel für ortsnahes Energy Sharing
Ein Beispiel, wie ortsnahes Energy Sharing aussehen könnte, hat das Bündnis Bürgerenergie illustriert.
(Quelle: Annika Huskamp, Wikipedia, 2022)
  • Mit ihr wird ein gemeinsamer Rahmen für die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen vorgeschrieben
  • Artikel 21.1: Behandelt das Recht auf Eigenversorgung
  • Art. 22.2.a: Wird auch „Prosumenten-Richtlinie“ genannt: „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass EE-Gemeinschaften berechtigt sind, erneuerbare Energie zu produzieren, zu verbrauchen, zu speichern und zu verkaufen.“

Haben Sie sich bereits mit der Thematik Energy Sharing auseinandergesetzt? Denken Sie, dass es der Weg, weg von einer energiepolitischen Krise und hin zu mehr Unabhängigkeit ist?

Dieser Beitrag ist ursprünglich im Sonepar-Report der Ausgabe September auf den Seiten 6/7 erschienen.

Du hast bereits abgestimmt!

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert